Die Geschäftsführerin des Zadek Verlages, Judith Zadek (JZ), freut sich über das Interview mit Sophia Alt (SA):
JZ: Sehr geehrte Frau Alt, Ihre Erzählung „Das Land hinter der Mauer“ ist im Sommer 2020 im Zadek Verlag erschienen. Einige kleine Lesungen konnten trotz Corona seitdem auch in Präsenz, so zum Beispiel hier in Magdeburg stattfinden. Worum geht es in Ihrer Erzählung?
SA: In „Das Land hinter der Mauer“ erzähle ich die Geschichte des 15-jährigen Andreas. Als Sohn eines Stasi-Mitarbeiters wächst Andreas mit einem klaren Weltbild auf: Der Sozialismus ist gut, Alles, was aus dem Westen kommt, schlecht. Erst durch die Bekanntschaft mit dem Punker Ronny erweitert sich Andreas Horizont und schließlich stellen ihn die revolutionären Unruhen im Herbst 1989 vor eine Entscheidung – bleibt Andreas seinem Vati zuliebe Zuhause oder wagt er sich aller Drohungen zum Trotz in den Magdeburger Dom, wo Visionen einer neuen Gesellschaft entstehen?
Meine Erzählung beginnt im Sommer 1989 und endet mit den Wahlen im März 1990. Es war mir wichtig, auch die für viele Menschen verwirrende Zeit nach der Grenzöffnung zu porträtieren und die Enttäuschung der Bürgerrechtler über die Wahlergebnisse einzufangen.
JZ: Sie haben ja für das Buch mit vielen Personen und Zeitzeugen hier in Magdeburg gesprochen und viele Originalplätze besucht. Wie haben Sie sich dabei gefühlt und wie wirkten diese Begegnungen auf Sie?
SA: Ich bin all den Menschen, die mir ihre Geschichten geschenkt haben, sehr dankbar. Manche, wie der Domprediger Herr Quast, haben mich durch ihren Mut und Idealismus sehr berührt und mich dazu inspiriert, selber für das einzustehen, was ich für mich als richtig erkannt habe. Für andere, vor allem Eltern meiner Kommilitonen, war es das erste Mal, dass sie ihr Leben in der DDR mit Abstand betrachtet und reflektiert haben. Es war schön zu merken, dass meine Fragen sie nachdenklich gestimmt und zu neuen Perspektiven angeregt haben.
JZ: Wie war die Resonanz auf Ihre Erzählung in Magdeburg? Sie hatten ja trotz Corona die Gelegenheit, einige Lesungen in Präsenz zu geben. Welches Publikum interessierte sich für das „Land hinter der Mauer“?
SA: Mein Publikum besteht meist zu einer Hälfte aus an Geschichte, Politik und Soziologie interessierten Studierenden und zur anderen Hälfte aus Menschen, die in der DDR aufgewachsen und neugierig sind, wie jemand, der schon nach der Wiedervereinigung geboren ist, über diese Zeit berichtet.
Nach der Lesung ergeben sich oft spannende Gespräche zwischen der älteren und der jüngeren Generation über verschiedene Geschichtsnarrative und aktuelle politische Entwicklungen vor allem in Ost-Europa und Russland.
JZ: Abgesehen von dem oben genannten Publikum – für welche Altersklasse empfehlen Sie das Buch?
SA: „Das Land hinter der Mauer“ ist für junge Menschen ab 14 Jahren geeignet.
JZ: Das heißt, Ihre Erzählung könnte auch als Begleitlektüre im Unterricht gelesen werden?
SA: Unbedingt! Durch die literarische Herangehensweise wird eine Möglichkeit geschaffen, sich der jüngeren deutschen Geschichte mit allen Sinnen zu nähern.
JZ: Was würden Sie sich für die Zukunft hinsichtlich des Umgangs mit der Vergangenheit wünschen?
SA: Ich wünsche mir eine Erinnerungskultur, die den Austausch der Generationen miteinander fördert. Mein Vater ist 1947 geboren, ich spreche viel mit ihm über den 2. Weltkrieg, die Erfahrungen meiner Großeltern darin und die Auswirkungen auf unser Familiensystem. Von meinen russischen Verwandten habe ich mir schon einiges über die Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und die darauffolgenden 90iger Jahre erzählen lassen. Miteinander zu reden und sich bemühen, einander zu verstehen ist für alle Beteiligten erhellend und manchmal sogar heilsam.
JZ: Vielen Dank für das Gespräch!
Sophia Alt, Jahrgang 1994, hat in Magdeburg Philosophie und Neurowissenschaften studiert und sich in ihrer Bachelorarbeit mit der wahrnehmungsverändernden Wirkung von Literatur befasst. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und ist mit ihren Kurzgeschichten mehrfache Preisträgerin des Ovag-Jugendliteraturpreises.
Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Zadek Verlag (per Mail an contact@zadek-gmbh.de) erhältlich. Für Schulklassen können beim Verlag Klassensätze zu Sonderkonditionen bestellt werden.